Herausgegeben von Prof. DDr. Markus Enders
GUSTAV SIEWERTH
WAGNIS UND BEWAHRUNG
METAPHYSIK DER KINDHEIT
Zur metaphysischen Begründung des erzieherischen Auftrages.
Mit dem vorliegenden Band wird die neue, insgesamt drei Bände umfassende Abteilung der Pädagogischen und Anthropologischen Schriften innerhalb der Gesammelten Werke Gustav Siewerths eröffnet. In diesen Band ist unverändert und unter dem gleichen Titel „Wagnis und Bewahrung. Zur metaphysischen Begründung des erzieherischen Auftrages“ dieser erstmals im Pädagogischen Verlag Schwann, Düsseldorf 1958, und dann in zweiter unveränderter Auflage im Johannes-Verlag, Einsiedeln 1964, erschienene Sammelband mit bedeutenden pädagogischen Schriften des Gründungsrektors der Pädagogischen Hochschulen Aachen und Freiburg im Breisgau, Gustav Siewerth (1903 – 1963), aufgenommen worden. In diesen tiefschürfenden Beiträgen führt Siewerth eine von ihm zugleich metaphysisch begründete anthropologische Grundlegung von Erziehung und Bildung durch und stellt sich auf diesem Fundament anschließend auch den konkreten Herausforderungen und Gefahren insbesondere der schulischen Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen.
Auch wenn Gustav Siewerth den Begriff einer „christlichen Existenzpädagogik“ selbst nicht geprägt und gebraucht hat, kann sein pädagogisches Konzept mit dieser Formel doch angemessen zum Ausdruck gebracht werden: Denn im Ausgang von dem christlichen Verständnis des Menschen als eines Geschöpfes, ja mehr noch: als eines Ebenbildes Gottes hat Siewerth in seiner programmatischen Einleitung in diesen Sammelband „Wagnis und Bewahrung“ mit dem Titel „Erziehende und bildende Liebe“, die geradezu als ein Vermächtnis des Grundanliegens seiner christlichen Existenzpädagogik gelten kann, zunächst die „Urgründe menschlichen Werdens und Seins“ erschlossen, um von diesen Wesensgründen menschlichen Lebens aus jene Bedingungen zu benennen, deren Erfüllung für eine gesunde und natürliche Entfaltung eines heranwachsenden Menschenkindes erforderlich sind. Dabei dürfte es zunächst einmal nicht überraschen, von Siewerth zu hören, dass es die Liebe sei, die den (vollkommenen) erzieherischen Akt bestimme. Denn das von Siewerth zugrunde gelegte christliche Menschenbild versteht den Menschen als ein aus Liebe bejahtes und angenommenes Abbild des dreifaltigen Gottes, der in sich die vollkommene Liebe selbst ist. Und doch ist es kein geringes Verdienst Gustav Siewerths, mit diesem Sammelband einen wichtigen Beitrag zur Wiederentdeckung der fundamentalen Bedeutung der Liebe für das erzieherische Handeln des Menschen in der wissenschaftlichen Pädagogik geleistet zu haben. Dass er dabei an eine Wesensbestimmung des pädagogischen Grundaktes anknüpft, die er von Franz Xaver Eggersdorfer, einem Mitbegründer der modernen christlichen Pädagogik, übernimmt, schmälert nicht seine Leistung, sondern zeigt nur sein instinktsicheres Gespür für diese Grundkraft gelingenden erzieherischen Wirkens.
Den anthropologischen Grundlagen der Kindheit als der für Einflüsse von außen empfänglichsten, daher bildsamsten und deshalb in erzieherischer Hinsicht entscheidenden Phase der lebensgeschichtlichen Entwicklung eines Menschen hat sich Gustav Siewerth in seiner ebenfalls in diesen Band aufgenommenen Schrift „Metaphysik der Kindheit“ gewidmet. Seine darin entwickelten tiefen Einsichten insbesondere in die Existenziale des Kindseins sind von bleibender anthropologischer und damit auch erziehungsbezogener Gültigkeit und Bedeutung.
Die Krise, in der sich die Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig befindet, besitzt nicht nur einen sozialen Charakter, etwas im Hinblick auf den innergesellschaftlichen Streit um die sog. Flüchtlingspolitik – um von anderen sozialen Krisenerscheinungen wie etwa die dramatisch zunehmende Überalterung unserer Gesellschaft erst gar nicht zu sprechen. Denn darüber hinaus gibt es in unserer Gesellschaft eine Krise von noch größerem und für die Menschen noch schädlicherem Ausmaß im Erziehungs- und im Bildungsbereich, die jedoch kaum noch wahrgenommen wird und deshalb ihre zerstörerische Wirkung umso wirksamer verrichten kann. Nur noch wenige wie etwa die christliche Psychotherapeutin Christa Mewes wissen überhaupt um die verheerenden Folgen einiger gesellschaftlicher Entwicklungen der letzten Jahrzehnte für das seelische und geistige Wohlergehen insbesondere unserer Kinder und Jugendlichen. Es verwundert daher nicht, dass die von dem christlichen Philosophen Gustav Siewerth (1903 – 1963) mit entwickelte christliche Existenzpädagogik nach seinem Tod aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit fast völlig verschwunden ist. Und doch ist, wie der einstige Nachfolger Gustav Siewerths auf dem Lehrstuhl für Allgemeine Pädagogik an der Pädagogischen Hochschule in Aachen in seinem Beitrag zu einem Symposion anlässlich des 100. Geburtstages Gustav Siewerths in der Katholischen Akademie in Freiburg treffend formuliert hat, „Siewerths bedeutender Beitrag zu einer christlichen Existenzpädagogik ... brandaktuell“ Worin besteht dieser Beitrag und inwiefern zeigt sich Siewerths eigener pädagogischer Ansatz in dem hier nach seinem ersten Erscheinen im Pädagogischen Verlag Schwann, Düsseldorf 1958, und seiner zweiten unveränderten Auflage im Johannes-Verlag, Einsiedeln 1964, ebenfalls unverändert und unter dem gleichen Titel „Wagnis und Bewahrung“ neu aufgelegten Sammelband wichtiger pädagogischer Schriften Gustav Siewerths? In diesen Schriften versucht Siewerth eine ihrerseits metaphysisch begründete anthropologische Grundlegung von Erziehung und Bildung und stellt sich auf diesem Hintergrund anschließend auch den konkreten Herausforderungen und Gefahren insbesondere der schulischen Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen.
Auch wenn Gustav Siewerth den Begriff einer „christlichen Existenzpädagogik“ selbst nicht geprägt und gebraucht hat, kann sein pädagogisches Konzept mit dieser Formel doch angemessen zum Ausdruck gebracht werden. Im Ausgang von dem christlichen Verständnis des Menschen als eines Geschöpfes, ja mehr noch: als eines Ebenbildes Gottes hat Siewerth in seiner ausführlichen, programmatischen Einleitung in diesem Sammelband mit dem Titel „Erziehende und bildende Liebe“ zunächst die „Urgründe menschlichen Werdens und Seins“ erschlossen, um von diesen Wesensgründen menschlichen Lebens aus jene Bedingungen zu benennen, die für eine gesunde und natürliche Entfaltung eines heranwachsenden Menschenkindes erforderlich sind. Dabei hat er sich insbesondere den anthropologischen Grundlagen der Kindheit als der für Einflüsse von außen empfänglichsten, daher bildsamsten und deshalb in erzieherischer Hinsicht entscheidenden Phase der lebensgeschichtlichen Entwicklung eines Menschen gewidmet. Seine diesbezüglichen Einsichten, die er seiner ebenfalls in diesen Band aufgenommenen Schrift „Metaphysik der Kindheit“3 anvertraut hat, sind daher zum ganz überwiegenden Teil von bleibender Gültigkeit und Bedeutung.
Es verwundert daher nicht, dass mit dem Gespür für diese innersten und daher unsichtbaren Wesensgründe des Menschseins auch das Verständnis und die Wertschätzung für einen fundamentalpädagogischen Ansatz wie denjenigen Gustav Siewerths nach dessen Tode relativ bald nahezu völlig verschwunden ist; und dies umso weniger, als in unserer Zeit nicht einmal mehr ein gesamtgesellschaftlicher Konsens darüber besteht, ob und inwieweit die biologischen Wurzeln des Menschen wesenhaft unantastbar und infolgedessen rechtlich uneingeschränkt schutzwürdig sind. Und dennoch gibt es in jüngster Zeit einige hoffnungsvolle Anzeichen einer Wiederentdeckung und -aneignung nicht nur des Siewerthschen Denkens im Ganzen, sondern auch und besonders seiner pädagogischen Dimension, zu denen nicht nur das oben erwähnte Symposion zum 100. Geburtstag Gustav Siewerths,4 sondern jüngst auch und vor allem der von Michael Schulz im Verlag der Gustav Siewerth-Gesellschaft Konstanz nahezu gleichzeitig mit diesem Band herausgegebene Sammelband „Menschenbild und humanisierende Bildung. Zur philosophischen Pädagogik Gustav Siewerths“ gehört. Denn dieser neue Sammelband vereinigt aktuelle Beiträge von Philosophen und Pädagogen zu Gustav Siewerths metaphysisch begründetem Verständnis menschlicher Bildung und Erziehung und wendet sich dabei dieser seiner zentralen Thematik nicht nur rekonstruktiv, sondern auch mit zahlreichen aktualisierenden Bezügen auf die Gegenwart von Bildung und Erziehung in unserer Gesellschaft konzentriert und fokussiert zu. Auf diesen für das Bildungs- und Erziehungsdenken Gustav Siewerths und dessen aktuelle gesellschaftliche Relevanz grundlegenden Sammelband sei daher an dieser Stelle ausdrücklich und nachdrücklich verwiesen.
Für eine aktualisierende Verbreitung des christlichen Humanismus Gustav Siewerths in unserer Gegenwart setzt sich insbesondere die im Jahre 2003 gegründete Gustav-Siewerth-Gesellschaft e.V. (vgl. ihre Homepage unter www.gustav-siewerth.de) ein; dies tut sie im Bewusstsein, dass Siewerths grundlegende Einsichten in die Wesenszüge menschlichen Seins und Werdens und in die daraus hervorgehenden Erfordernisse einer gesunden Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit unserer Zeit mehr Not tun als jeder anderen zuvor. Dies gilt in allererster Linie für diejenigen Schriften Gustav Siewerths, die seiner metaphysisch begründeten Anthropologie und Pädagogik zugerechnet werden können. Deren umfangsmäßig ungefähr erste Hälfte ist daher in den vorliegenden ersten Band der pädagogischen und anthropologischen Schriften Gustav Siewerths aufgenommen worden, der als Teilband 6 a seiner Gesammelten Schriften erscheint. Ihm soll in absehbarer Zeit noch ein zweiter Teilband 6 b mit umfangsmäßig ungefähr der zweiten Hälfte der pädagogisch und anthropologisch relevanten Schriften Gustav Siewerths folgen, die bislang entweder noch nicht oder nur an schwer zugänglichen Orten erschienen sind.
In Bezug auf den vorliegenden Teilband 6 a kann insbesondere die erstmals 1952 unter dem Titel „Erziehende und bildende Liebe“ erschienene5, 1965 in der
Wissenschaftlichen Buchgesellschaft Darmstadt als ein Sonderdruck neu aufgelegte, im Verlag der Gustav-Siewerth-Gesellschaft Konstanz im Jahre 2005 als
Separatum unter ihrem ursprünglichen Titel neu herausgegebene6 und als Einleitung in den hier neu aufgelegten Sammelband einiger wichtiger pädagogischer
Schriften Siewerths mit dem Titel „Wagnis und Bewahrung“ sowohl in dessen Erstauflage 1958 als auch in dessen zweite Auflage 19648 aufgenommene kleine
Abhandlung über „Erziehende und bildende Liebe“ geradezu als ein Vermächtnis des Grundanliegens der christlichen Pädagogik Gustav Siewerths gelten. Einige
wenige Hinweise an dieser Stelle mögen genügen, um den heutigen Leser auf die exemplarische Bedeutung dieser programmatischen Einleitung in den Sammelband „Wagnis
und Bewahrung“ für Siewerths pädagogischen Ansatz und dessen erhebliche Relevanz zur Bewältigung der immensen pädagogischen Herausforderungen unserer Zeit aufmerksam
zu machen:
Dabei dürfte es den Leser zunächst einmal nicht überraschen, von Siewerth zu hören, dass es die Liebe sei, die den (vollkommenen) erzieherischen Akt bestimme. Denn
das von Siewerth zugrunde gelegte christliche Menschenbild versteht den Menschen als ein aus Liebe bejahtes und angenommenes Abbild des dreifaltigen Gottes, der in
sich die vollkommene Liebe selbst ist. Und doch ist es kein geringes Verdienst Gustav Siewerths, einen wichtigen Beitrag zur Wiederentdeckung der fundamentalen
Bedeutung der Liebe für das erzieherische Handeln des Menschen in der wissenschaftlichen Pädagogik geleistet zu haben. Dass er dabei an eine Wesensbestimmung des
pädagogischen Grundaktes anknüpft, die er von Franz Xaver Eggersdorfer, einem Mitbegründer der modernen christlichen Pädagogik, übernimmt, schmälert nicht seine
Leistung, sondern zeigt nur sein instinktsicheres Gespür für diese Grundkraft gelingenden erzieherischen Wirkens. Siewerth geht von Eggersdorfers Definition aus,
nach der es eine bestimmte Form geistiger Liebe ist, die das Wesen des fruchtbaren erzieherischen Handelns darstellt. Aber als Menschenkenner weiß er zugleich auch,
dass der sprachliche Ausdruck „geistige Liebe“ im Verstehenshorizont schon seiner Zeitgenossen – um wieviel mehr seiner heutigen Leser – zu einem Missverständnis bzw.
einer Fehldeutung Anlass gibt, welcher er daher sogleich vorbeugt, um richtig verstanden zu werden: Mit „geistiger Liebe“ sei nicht der Akt eines herablassenden
Wohlwollens gemeint, mit dem sich der Erzieher dem ihm geistig unterlegenen Kind zuwendet, um dieses auf seine eigene intellektuelle Stufe zu führen. Denn mit
„Geist“ werde hier kein bestimmtes höheres Seelenvermögen, werde nicht die rationale Erkenntnisfähigkeit des Menschen im Besonderen, sondern der personale Grund
menschlicher Existenz überhaupt bezeichnet, der alle menschlichen Seelenkräfte und damit das Ganze des Menschseins prägt und umfasst. Daher sei jede natürliche
Form menschlicher Liebe „geistig“, d. h. personal, verfasst. Zwar stelle der eigentlich pädagogische Grundakt eine besondere Form dieser geistigen Liebe dar, zugleich
aber sei es ihm eigen, auch in jeder anderen Form geistiger Liebe wirksam zu sein, so dass jede natürliche Form menschlicher Liebe nicht nur in ihrem Wesen geistig-personal
sei, sondern auch einen erzieherischen Charakter besitze. Weil also nach Siewerth das erzieherische Handeln ein Akt geistiger Liebe ist, lässt es sich nur in der Vielfalt
aller natürlichen Formen menschlicher Liebe angemessen beschreiben. Deshalb geht Gustav Siewerth nach dieser allgemeinen Bestimmung des erzieherischen Aktes auf die
wichtigsten Formen natürlicher und (wesens-) ursprünglicher Liebe zwischen Menschen ein. Besonders lesenswert sind seine Ausführungen zur gesunden mütterlichen Liebe
(sowie ihrer „Erziehungs- und Bildungsmacht“), die in dem Kind das Urvertrauen und mit ihm die Bindungsfähigkeit verankert, wovon es nicht nur emotional, sondern in seiner
ganzen Persönlichkeit ein Leben lang zehrt und ohne die es höchste Gefahr läuft, schwere psychische Störungen als lastende Hypothek seines gesamten späteren Lebens
davonzutragen. Nicht weniger bedeutsam aber ist nach Siewerth die väterliche Liebe als Abbild der Liebe Gottes zum Menschen, ohne die das Kind nicht selten zu einem
in sich selbst verliebten, lebensuntüchtigen Erwachsenen degeneriert. Auch für das spätere Gottesverhältnis eines Menschen ist, so Siewerth, das väterliche Vorbild
nicht weniger wichtig als die mütterliche Liebe. Siewerth definiert sogar „Erziehung“ als „In-Gewahrnahme des Kindes in vaterschaftlicher Verantwortung“, wobei
diese „vaterschaftliche Verantwortung“ grundsätzlich, wenn auch nicht idealerweise, auch von einer anderen Person als dem leiblichen Vater des Kindes übernommen
werden kann. Siewerth geht es nicht zuletzt darum, zu zeigen, dass jedes Kind die erzieherische Liebeszuwendung möglichst beider Eltern braucht, um sich zu einer
harmonischen und reifen Persönlichkeit entwickeln zu können.
Dass auch andere natürliche Liebesformen wie die kindliche, die geschwisterliche und die freundschaftliche Liebe eine erzieherische Kraft besitzen – was durch unsere Lebenserfahrung vielfach bestätigt wird –, zeigt Siewerth ebenso auf wie die erzieherische Dimension unseres körperlichen, seelischen und geistigen Strebens nach Schönem („Eros“ in der platonischen Bedeutung dieses Wortes) sowie unseres natürlichen Strebens nach dem Wahren und Guten. Dass Erziehung von Sympathie und Empathie – allerdings ohne Bevorzugung und damit Zurücksetzung einzelner – begleitet sein muss, auch diese Einsicht Siewerths ist es wert, erneut vergegenwärtigt zu werden. Schließlich zeigt Siewerth, dass und wie sich der erzieherische Akt in der liebenden Hingabe der Erziehungspersonen an das zu erziehende einzelne Kind vollendet: diese zugleich gerechte und barmherzige, diese heilende und sich schenkende Liebe („Caritas“) vereinigt in sich die Essenz aller anderen Liebesformen. Denn sie ist reine Gabe der göttlichen Liebe an uns.
Siewerths eindringliche und in ihrem zum Teil beschwörenden Tonfall fast visionäre Ausführungen finden somit ihren Höhepunkt und Abschluss in seinem „Hohen Lied“ der erziehenden Liebe, die in ihrem innersten Wesen unsterblich ist, „denn sie ist Gottes Heiliger Geist in unseren Herzen, tröstende Leuchte in dieser Zeit und ein kostbarer Schrein, in dem Gott selber lebt und Wohnung hat.“ Für Gustav Siewerth ist die erziehende Liebe daher das Kostbarste, das Gott uns Menschen füreinander schenkt. Kann es eine edlere Sicht und eine größere Hochschätzung des Wertes der erziehenden Liebe überhaupt geben?
Es ist mir ein inneres Bedürfnis und eine besondere Freude, an dieser Stelle denjenigen Personen meinen herzlichst empfundenen Dank auszusprechen, die das Erscheinen dieses Bandes überhaupt erst möglich gemacht haben.
An erster Stelle möchte ich der Gustav-Siewerth-Gesellschaft e.V. und hier insbesondere ihrer Ersten Vorsitzenden, Frau Irene Joekel-Siewerth, für die großzugige Gewährung von Fördermitteln danken, ohne welche wir die redaktionelle Bearbeitung derjenigen Texte, die in diesen Band aufgenommen worden sind, nicht hätten durchführen können.̈
Nicht weniger herzlich möchte ich Frau stud. theol. Elisabeth Rombach als derjenigen studentischen Hilfskraft am Arbeitsbereich Christliche Religionsphilosophie in der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg im Breisgau danken, die die aufwendigen und anspruchsvollen lektorierenden Korrekturarbeiten an den Scans der in diesen Band aufgenommenen Texte mit großer Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt und einem unermüdlichen Einsatz durchgeführt hat.
Herzlich danken möchte ich auch Herrn cand. theol. Maximilian Gentgen vom Arbeitsbereich Christliche Religionsphilosophie sowie dem IT-Koordinator der Theologischen Fakultät der Universität Freiburg, Herrn Alexander Littwin, für ihre freundliche und sachkundige IT-Betreuung dieses Editionsprojekts.
Sehr herzlich danken möchte ich auch der Sekretärin im Arbeitsbereich Christliche Religionsphilosophie, Frau Ulrike Müller, für ihre großen Einsatz bei der Koordination der redaktionellen Bearbeitung dieses Bandes.
Dem Johannes-Verlags, und hier insbesondere Frau Dr. Susanne Greiner, danke ich sehr herzlich für seine freundliche Abdruckgenehmigung für die in diesem Band vereinigten Texte.
Möge dieses Buch um der Menschen willen, denen es dienen möchte, möglichst viele interessierte und wohlwollende Leser finden.
Freiburg im Breisgau, den 9. September 2016
Markus Enders
Das eine Verdienst dieses Werks ist, daß es diese aus der Fülle der thematischen Ansätze sich ergebende vollständige Philosophie der Erziehung für Erzieher und Eltern in offener, nicht terminologisch verschlüsselter Sprache vorlegt. Es geht ja ebensosehr die Eltern an, die nicht erst eine Fachsprache lernen können, bevor auch sie in den erzieherischen Auftrag eingeübt werden. Das Hauptverdienst ist allerdings die Vollständigkeit einer Lebenslehre im Lebensbezug zwischen Kindern, Eltern und Erziehern. Siewerth aber betont die metaphysische Begründung des erzieherischen Auftrags nicht, weil für ihn die Grundbegriffe der Bildung, Erziehung und Gewissensbildung allererst aus einem Menschenbild gewonnen werden müssen, daß das Kind zwischen seine Nächsten und Gott stellt und die transzendenten Lebensbezüge zur Grundlage der ethischen macht.
Es ist gut, daß die notwendige Polemik gegen die unzulänglichen Bildungs- und Erziehungsbegriffe unserer verworrenen Zeit immer erst im Anschluß an die positive Darlegung der echten Lebensverhältnisse gegeben wird, aber für den Kundigen wird damit erst die hohe philosophische Leistung dieser Systematik der Erziehungswissenschaft völlig klar. Sie ist Grundlagenforschung im besten Sinn, ohne diese philosophisch und wissenschaftlich bedeutsamste Seite des Werks in den Vordergrund zu stellen. Schließlich geht es Siewerth um die Praxis dieser praktischen Wissenschaft und Erziehungskunst, und dafür gibt er aus seiner Praxis der Erziehung von Erziehern die Richtlinien, das ist: die ethische Begründung des erzieherischen Auftrags, und darum beginnt das Werk mit einem Hymnus auf die Liebe zum Kinde als Voraussetzung aller bildenden und erziehenden Wirksamkeit. Es kann hier nicht einmal angedeutet werden, was Siewerth aus seiner reifen und besonnenen Lebensklugheit zu den schwierigen pädagogischen Problemen der konfessionellen und doch toleranten Schule, zur »geschlechtlichen Aufklärung« und zur richtigen Eingliederung in die heutige Arbeitswelt zu sagen weiß. Erst diese Hinführung zur richtigen Bewältigung der Schwierigkeiten der Vollreife macht das Werk zu einer vollständigen Lebenslehre für Erzieher und Eltern.
Alois Dempf
Der Titel hebt die vorliegende Abhandlung ab von psychologischen, und pädagogischen Büchern, die sich mit dem gleichen Gegenstand befassen. Metaphysik bedeutet hier die Eröffnung des weitesten und ursprünglichsten Horizontes, aus dem her und auf den hin alles Menschsein sich ereignet, in welchem es, aufgelichtet durch das Sein als Sein, allein zu seiner Wahrheit gelangen kann. Eine solche Erkenntnis ist notwendig ein Enthüllen von Wesenszügen, sofern sie dem gründenden und aktuierenden Sein im Ganzen entspringen. Die Tiefe und transzendentale Weite der Aussagen ist immer auch der metaphysischen Seinserhellung verpflichtet, die unser Erkennen und Sprechen geschichtlich ermächtigte und ihm die Maßgründe, die Wege und das Wort schenkte. Darum ist kein metaphysisches Unternehmen ohne die Aufweis- und Sagekraft höchster geistiger Akte, die in unsere Sprache gekommen sind. Da es hier um die Erziehung und Bildung des christlichen wie des gegenwärtigen Menschen geht, so verpflichtete uns das theologische, philosophische und pädagogische Werk als «Instrument» des Sprechens und Auflichtens in gleicher Weise. Deshalb bedeuten weite Strecken dieser Untersuchung eine Ausfaltung thomistischer Grundlehren, eine Weiterführung der Daseinsdeutung Martin Heideggers und eine Durchlichtung der Erfahrungen Maria Montessoris, der bedeutendsten Erzieherin des 20. Und ausgehenden 19. Jahrhunderts.
Dabei geht es stets um eine «metaphysische Erhellung», was besagt, daß es stets das eine Sein und das von ihm her aufgelichtete Dasein selber ist, das die innere Einheit der Ausführungen trägt. Deshalb gibt es an keiner Stelle ein bloßes Wiederholen von schon Gesagtem, sondern stets eine weiterführende, einigende Übersteigung, die sich bei jedem ursprünglichen Enthüllen immer ereignet.
Es wäre deshalb auch ein Mißverständnis, dieses Werk als eine «Auseinandersetzung» mit Martin Heidegger oder gar als eine «Widerlegung» seiner Daseinshermeneutik anzusehen, als wenn ein ursprüngliches, dem undurchdringlichen Geheimnis des Seins hingegebenes Philosophieren anders in den Akt kommen könne, als daß es das Aufgewiesene selbst in jedem Fortgang «auseinander» «setzt», das heißt auf immer tiefere Dimensionen hin erschließt und weitet, freilich auch in immer neuer Einigung zusammenhält. Wie könnte aber ein die ratlose Irre der neuen Zeit aufbrechender Geistakt anders sich vollziehen, als daß er sich auf ihre «geschichtliche Geworfenheit» einließe, um gerade hier und so das alles Zeitliche überholende Sein in eine zeitgemäße und zeitmächtige Frage zu zwingen. Es ist kein Zweifel, daß Martin Heidegger das in die Abstraktion oder in die Subjektivität aufgelöste, entmächtigte und begriffsverstellte Sein als Sein wieder ins ehrfürchtig durchschütterte Wort kommen ließ, weshalb sein Denken dem Aquinaten wahlverwandter und näher ist als eine in abstrakten Lehrbegriffen befangene «Neuscholastik».
Die innere Verpflichtung an sein Werk spricht für den Wissenden schon aus der Sprache dieses Buches, die freilich nirgend ein zitierendes Nachsprechen bedeutet, sondern ein sich Einlassen auf jene Tiefe unserer ursprungsmächtigen deutschen Sprache, die diese zu einem erlesenen und unersetzbaren Gefäß metaphysischen Denkens macht. Nach Heideggers Werk ist alles Philosophieren fragwürdig, das nicht demütig aus der Gnade und Macht eines nicht von uns Gemachten, sondern aus menschheitlichem Ursprung Ererbten und rein Bewahrten Gesehenes ins «Wort» unserer Sprache bringt. Wer nur «begriffsterminologisch» weiterphilosophiert, soll wissen, daß er einer Beirrung ausgeliefert ist, die seit Jahrhunderten währt und die Königsmacht des Geistes den haltlosen Sophisten und schließlich den bornierten Fanatikern der Steppe ausgeliefert hat.
Mancher Leser dieses Buches, das in keine herkömmlich literarische Gattung einzuordnen ist, wird sich die Frage stellen, ob diese Metaphysik des Kindseins nicht Arbeit und Aufweis der anthropologischen Einzelwissenschaften weithin «überflüssig» mache. Wer in solchen Fragen auf die immer mitfragende Sprache hört, wird von ihr her die sachgemäße Antwort erhalten. Sie werden in der Tat «überflüssig», sofern sich aus der metaphysischen Erhellung der Kindschaft das Licht des ans Gott kommenden und in seinem schöpferischen und begnadenden Leben fortwaltenden Ursprungs in sie ergießt und das von ihnen mit gewissenhafter Mühe Zusammengebrachte so «flüssig» und beweglich macht, daß es zu jenen tragenden Gründen zurückfinden kann, denen sich jede Einzelwissenschaft im Entschluß zur Spezialisierung, zur Wesens- und Sachbegrenzung verschlossen hat. Seit diesem abschließenden Verschluß steht jede Einzelwissenschaft, ob Psychologie, Anthropologie, Soziologie, Biologie und auch die nicht nur Technik sein wollende Naturwissenschaft in der Unsicherheit aller Seins- und Wesenskategorien, die sie ohne kritische Rechenschaft aus dem durch schnittlichen Reden oder als unverstandene Abfälle der Philosophie aufgreift. Die Einzelwissenschaften «überflüssig» machen, heißt daher immer, sie aus dem Unbedachten und Unbedenkbaren ihrer Grundbestimmungen und aus ihrem deshalb überanstrengten Treiben zu erlösen.
Wenn dieses Buch auch diesen nicht beabsichtigten Nebenerfolg hätte, der Zerspaltung und Zerfetzung unseres Wissenschaftsbetriebes zu steuern, so wäre es nicht nur dem Heil des Kindes, sondern allen jenen zugeordnet, die in qualvoller Überanstrengung als Studierende unserer Universitäten und Hochschulen durch das Unverstandene und Halbverstandene von tausend Meinungen geführt werden.
Aachen: am Fest Allerheiligen 1956